Als Komplementärmedizin werden Behandlungsmethoden bezeichnet, die ergänzend zur sogenannten Schul- oder konventionellen Medizin eingesetzt werden. Ihr Ziel ist neben eigenständiger Wirksamkeit gegen bösartige Erkrankungen u.a. auch die Chancen des Erfolges der klassischen Medizin zu erhöhen, indem man die Therapie verträglicher gestaltet.
Abgegrenzt werden muss die komplementäre Therapie von alternativen Therapiekonzepten, wie z.B. der Homöopathie, die der konventionellen Medizin oft ablehnend gegenüberstehen.
Die komplementäre Medizin hingegen steht mit den Naturwissenschaften im Einklang. Für viele der Verfahren gibt es derzeit nicht genügend klinische Studien, die wissenschaftlichen Standards entsprechen, um die Wirksamkeit und Sicherheit der Methoden bei Krebserkrankungen ausreichend beurteilen zu können. Es empfiehlt sich daher, bei ihrem Einsatz keinesfalls auf Krebstherapien zu verzichten, deren Effektivität in zahlreichen Studien nachgewiesen wurde. Ergänzende Maßnahmen sollten immer mit dem behandelnden Onkologen besprochen werden. Nur so erhält die Komplementärmedizin ihren Stellenwert in einem gemeinsamen Therapiekonzept.
Krebspatient*innen sind oft auf der Suche nach Therapien, die sie ergänzend zur Krebstherapie anwenden wollen. Etwa 40 bis 50 Prozent aller Krebspatient*innen in Deutschland nutzen komplementäre oder alternative Therapiemöglichkeiten. Am häufigsten angewandt werden Mistelpräparate, Diäten und die Einnahme von Vitaminen und Spurenelemente.
In vielen Fällen verbirgt sich hinter der Anwendung alternativer Therapien der verständliche Wunsch, der Situation nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern sich aktiv an der Behandlung beteiligen zu können. Im Fokus steht dabei sehr oft die körpereigene Immunabwehr, die auch durch moderne Therapiestrategien gestärkt werden.
Wir als behandelnde Ärzte nehmen den Wunsch unserer Patient*innen nach Beteiligung unbedingt ernst und versuchen soweit wie uns möglich auf individuelle Wünsche in unseren Therapiekonzepten einzugehen. Gegenseitige Wertschätzung ist grundlegend für ein starkes wechselseitiges Vertrauensverhältnis zwischen Patient*in und Arzt. Dies ist aus unserer Sicht unabdingbar, um mit voller Kraft die Therapie bestreiten zu können.
Wir legen großen Wert darauf, jedwede alternative Therapieoptionen, an denen unsere Patient*innen interessiert sind, offen – aber auch kritisch – zu diskutieren. Die Gefahr, dass ansonsten unseriöse Anbieter von Not und Verzweiflung onkologischer Patient*innen profitieren, ist offensichtlich.
Den Patienten/die Patientin mitsamt seiner/ihrer Persönlichkeit wahrzunehmen und zu respektieren ist ein wichtiger Kernpunkt der komplementären Onkologie. Der soziale Faktor wird bei der Diskussion des Therapieerfolgs häufig unterschätzt. So konnte gezeigt werden, dass die häufigsten Gründe für einen Therapieabbruch geringe soziale Unterstützung, schlechte Interaktion zwischen Arzt und Patient*in, schlechte Verständlichkeit der Informationen und die fehlende Möglichkeit der Erörterung eigener Fragen sind.
Komplementäre Medizin
Hier einige Optionen, die die komplementäre Medizin bietet:
Die Mind-Body-Medizin
Ansätze wie die Mind-Body-Medizin halten vermehrt Einzug in die komplementäre Onkologie, da die Stabilisierung der Psyche zur ganzheitlichen Betrachtung des Patienten/der Patientin immer vorrangiger wird.
Die sich an die Psychoonkologie anlehnende Mind-Body-Medizin basiert auf dem ganzheitlichen Konzept von Geist, Körper und Seele. Sie hat das Gesamtbild und den Lebensstil an sich im Blick und möchte psychische und körperliche Symptome der Erkrankung lindern. Im Gegensatz zur Psychoonkologie, welche die psychische Verarbeitung der Erkrankung in den Fokus stellt, schließt die Mind-Body-Medizin in ihrem Wirken auch die aus der Therapie resultierenden Nebenwirkungen mit ein. Der Schwerpunkt liegt auf den Erhalt der Gesundheit und nicht auf der Erkrankung. Vor allem der Stressabbau, die Emotionsregulierung und die Sinnfindung in der posttraumatischen Phase der Erkrankung stellen die Ansatzpunkte da. Populäre Mind-Body-Therapien (MBTs) sind Entspannungsübungen, Meditation, Hypnose, Yoga, Tai Chi, Qigong und Kunsttherapie. Diese Therapien können die Symptome der Krebserkrankung mildern und die Lebensqualität verbessern (Quelle: doi: 10.1007/s11912-017-0626-1.).
Traditionelle chinesische Medizin (TCM)
Auch die traditionelle chinesische Medizin (TCM) ist ein häufig gefragtes komplementäres Therapiekonzept. Auch sie hat ein ganz eigenes Verständnis von Gesundheit und Krankheit und geht von Gesundheit als ein Gleichgewicht von im Körper wirkenden Kräften aus. Krankheit ist dementsprechend ein Ungleichgewicht dieser Kräfte. In der Diagnostik und Therapie werden durch klinische Untersuchungen die Ungleichgewichte ermittelt und durch anschließende Interventionen die gesunden Kräfte gestärkt, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. In der TCM kommt die Therapie mit pflanzlichen Extrakten zum Einsatz. Es gelten hierfür dieselben Vorsichtsmaßnahmen. Hinzu kommt, dass sich die Qualität eines kombinierten und möglicherweise importierten Heilmittels schwer prüfen lässt (Pestizidbelastung etc).
Mistelzweig
Bsp.: Mistelextrakte, Thymusextrakte, Enzyme, Megamin, Ukrain, Factor AF2
In der komplementären Medizin werden pflanzliche Präparate und Präparate aus Organextrakten eingesetzt. Es gilt vor allem das Immunsystem zu stärken, Nebenwirkungen der konventionellen Therapie zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. So können Pflanzenextrakte Nebenwirkungen wie Durchfall, Verstopfung, Mundschleimhautentzündungen und trockene Schleimhäute generell lindern. Viele der Medikamente sind für verschiedene Erkrankungen zugelassen und frei in der Apotheke zu erwerben. Für einige werden die Kosten von den Krankenkassen erstattet, für andere nicht, weil ihre Wirksamkeit und vor allem auch die Sicherheit nicht erwiesen sind. Vor einem Einsatz muss geklärt werden, ob Wechselwirkungen mit der herkömmlichen Krebstherapie zu befürchten sind. Mistelextrakte sind die bei der Krebsbehandlung am häufigsten eingesetzten Alternativmedikamente. Trotz zahlreicher Studien gehört die Misteltherapie zu den umstrittensten Therapien der komplementären Medizin. Aktuellen Studien zufolge wirkt sie vor allem unterstützend, aber nicht lebensverlängernd.
Ernährungsempfehlungen
Bsp.: sogenannte „Krebsdiäten“, Vitamine, Spurenelemente, Nahrungsergänzungsmittel, Kurkuma, Kombucha, orthomolekulare Medizin, Selen
Die Ernährung kann für Krebspatient*innen eine große Herausforderung sein. Oft kämpfen die Patient*innen täglich darum ihr Gewicht zu halten, leiden an Appetitverlust und Übelkeit. „Krebsdiäten“ erheben den Anspruch, den Krankheitsverlauf bis hin zur Heilung günstig beeinflussen zu können und vor Rückfällen der Erkrankung zu schützen. Bestimmte Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel und Zubereitungsformen werden empfohlen oder verboten (Fasten, Saftkuren, Rohkostdiät, vegetarisch-vollwertige Kostformen u.a.). Dabei gibt es unzählige Diätformen, die sich teilweise erheblich unterscheiden. Bislang konnte für keine Krebsdiät überzeugend gezeigt werden, dass sie Krebserkrankungen aufhalten und die Überlebenszeit der Betroffenen verlängern knnte.
Experten der Arbeitsgemeinschaft PRiO der Deutschen Krebsgesellschaft haben auf Grundlage einer systematischen Literaturrecherche eine Stellungnahme zur ketogenen und kohlenhydratarmen Diät erarbeitet. Auch wenn diese Diäten auf den ersten Blick sinnhaft erscheinen („den Krebs aushungern“), komm die AG PRiO zu dem Fazit, dass eine kohlenhydratarme oder ketogene Diät für Krebspatient*innen nicht zu empfehlen ist.
Sehr beliebt ist die Einnahme von Vitaminen (Antioxidanzien) und Spurenelementen. Umfragen ergaben, dass zahlreiche Krebspatient*innen zusätzlich zur konventionellen Krebstherapie Vitamin- und Spurenelementpräparate in Dosierungen einnehmen, die mitunter mehr als das Zehnfache des empfohlenen Tagesbedarfs betragen. Damit verbunden ist die Hoffnung, die Krebserkrankung direkt hemmen zu können, die Nebenwirkungen der Chemo- oder Strahlentherapie zu mindern und das Immunsystem zu stärken. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigten, dass eine bedarfsangepasste Gabe von Vitamin- und Spurenelementen zur Verhinderung von Mangelzuständen in einzelnen Erkrankungsphasen sinnvoll sein kann. So sollte z.B. bei Patient*innen mit Lymphdrüsenkrebs ein (hoch)normaler Vitamin D-Spiegel angestrebt werden. Die genaue Dosis sollte jedoch immer mit dem Arzt abgeklärt werden, da die Einnahme von hochdosierten Präparaten unter Chemo- und Strahlentherapie kontraproduktiv sein kann, da sie die Wirksamkeit deutlich mindern können. Die Krebserkrankung alleine heilen können sie nicht.